Wandern auf Grünen Feldern

    "Ist Dir jemals aufgefallen", fragt er mit verschwörerischer
Stimme, "daß, wenn Du tiefer ins Land hineinfährst, sich das
Verhältnis Mann pro Schaf umdreht, zu Schaf pro Mann?" Erstaunt wende
ich mich um. Tatsächlich ist dies auch mir schon aufgefallen. "Ja,
und alle Schafe sehen gleich aus, genau wie bei den Leuten." Er
lächelt, dann fragt er: "Woher kommst Du?" Nervös betaste ich meine
Stirn, wo ein Stück erst kürzlich eingenähter Haut meinen Digital
Eingang verdeckt. "Ich bin aus Galway." Mein eben zugelegter irischer
Akzent scheint bislang einwandfrei zu arbeiten. Trotzdem fürchte ich,
daß er plötzlich an meinen Kopf fasst, nach dem Stecker greift und
seine Freunde zur hilfe ruft. Aber er erklärt mir nur, dass seine
Frau über eine später Heimkehr alles andere als erfreut wäre, und
daß er sich deshalb verabschieden müsse.

    Des Nachts verfolgen mich Träume. Ich hatte es nicht erwartet.
Wärend mein Körper bewegungslos in einem hölzernen Bett liegt rast
mein Geist Korridore aus Licht hinab. Aber kein Compuer erzeugt diese
Muster, es ist nur so, daß mein Hirn die tägliche Stimulation durch
den Digitalen Eingang vermisst. Es ist schwer zu schlafen, während
dein Geist damit bechäftigt ist, die Sicherheitssysteme von Banken zu
knacken, oder heisse Informationen kauft und wieder verkauft. Deshalb
schlafe ich nicht. Nachts wandere ich auf den grünen Feldern von
Eire. Ich beobachte die Sonne, den Mond, die Sterne. Und die
Sateliten. Vor langer Zeit glaubten die Menschen, sie hätten einen
Wunsch frei, wenn sie des Nachts einen fallenden Stern sahen. Dann
war es das selbe mit Sateliten. Inzwischen sind wir wieder bei den
Sternen.

    Wann immer ich eine Sternschnuppe sehe, dann wünsche ich daß die
ganze Welt so schön wäre, wie dies hier. Dann müsste ich mich nicht
verstecken, im Exil leben, nur um natürliches Grass sehen zu können,
lebendige Schafe, echte Blumen, und um Luft zu atmen, die nicht in
der Lunge schmerzt. Doch Sternschnuppen kommen und gehen, und ich
lebe immer noch ein Leben, dass mir nicht erlaubt, den Grossteil
meines Könnens einzusetzen.

    Die Iren behaupten, daß es keine mögliche Kombination von
Technologie und intakter Umwelt möglich sei. In unseren Ohren klingt
das dumm, doch die Geschichte gibt ihnen recht. Sie können nicht
verhindern, daß unsere verpestete Luft auf ihre Insel geweht wird,
unser verseuchtes Wasser an ihre Strände gespült wird, doch sie
können uns Menschen den Zugang zu ihrer Insel verwehren. Ich habe es
geschafft hierher zu kommen, und es war richtig.

    Ich muss mich nur an einige Dinge gewöhnen.


    "And I scream to myself - What a wonderful country - But man is
    bringing it down" (4 non blondes)

    tom-10-08-95 (deutsch tom-27-08-95)
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